"Für dich", LITERARISCHER ALMANACH moderner russischsprachiger Schriftsteller, Verlag "Stella", 2017

 

 Tatjana  Kaiser

 

 

Das Gebet

 

Im Wald wurde ein Weihnachtsbaum geboren

 

Das Schicksal

 

Emigration

 

 

Die Liebe

Das Nachdenken über das Leben, die Gefühle und Tugenden

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Gebet

 

 

 

Vor sehr langer Zeit lebte eine junge Frau in einer großen Siedlung deutscher Kolonisten an der Wolga, die damals mehr als vierhundert Höfe betrug, und nun völlig ausradiert wurde.

 

Als sie 18 Jahre alt war, wurde sie verheiratet. Die Ansiedlerfamilien hatten in der Regel acht bis zwölf Kinder. Ihr Mann Johannes war einer der ältesten Söhne, arbeitete tüchtig, soff nicht, schlug nicht, beschenkte reich, aber er war streng, zurückhaltend und wortkarg.

 

Wodurch hatte er damals ihre Aufmerksamkeit gewonnen? Durch einen schönen Maibaum vielleicht – ein dickes Bündel Birkenzweige, die an einer Stange gebunden und vor dem Tor ihres Elternhauses in der Nacht vor Pfingsten hingestellt waren? Genau das galt als große Ehre für ein Mädchen, denn nach diesem Ereignis wurde es zur baldigen Braut. Vielleicht zog er sie mit seiner Zackigkeit an, mit der er so flott auf den Festen während der Kirmes – des herbstlichen Patronatsfestes, getanzt hatte? Oder  brachte sein würdiges Schweigen sie zum Staunen, während andere Kerle die grünäugige Schönheit mit Scherzen und Witzen von allen Seiten beredeten?

 

 

 

Die Jugend versammelte sich in der warmen Jahreszeit oft außerhalb des Dorfes auf einer Wiese, oder in der kalten Jahreszeit bei jemandem zu Hause, wo junge Leute sich näher kennenlernten, spielten und sangen. Johannes überholte alle Rivalen, indem er zum ständigen Begleiter der jungen Frau bei allen Veranstaltungen geworden war. Dann gab es eine schnelle Brautwerbung, Verlobung und ihr folgendes Katechumenat an den nächsten drei Sonntagen in der Kirche.

 

Aber die Zeit bis zur Hochzeit hatte gereicht, um zu lernen, die geschwitzten Hände nicht in den Rockfalten zu verstecken, dass ihr Gesicht beim Ansehen des Bräutigams sich nicht mit Röte überzog. Ihre Trauung fand am zweiten Weihnachtstag statt, wie bei dem anderen halben Dutzend Paare. Drei Hochzeitstage waren schon immer die meist einprägbaren Ereignisse im Leben. Damals blieben die heiratsfähigen Mädchen nicht lange in den Familien als unnütze Mäuler sitzen, deswegen waren sie zum Eheleben bereit. Eine Sache war, wenn es um den Traum ging, Mädchengeflüster, Blicke von den Jungs, eine ganz andere Sache war es aber, wenn der Zukünftige dir vorbestimmt und gegeben wurde, hier begann das weitere Leben Seite an Seite, Freude und Leid teilend.

 

Sehr bald wurde die junge Frau zur vollständigen Teilnehmerin des Arbeitslebens ihrer neuen Familie. Sie arbeitete im Feld, in der Scheune, am Webstuhl, am Spinnrad, nähte und stickte, machte die Hausarbeit und kochte.

 

Die Tage begannen und endeten mit Gebeten. Das gleichmäßige Leben wickelte die Jahre in der Ehe auf, aber das Schicksal beeilte sich nicht, das Ehepaar mit Kindern zu beschenken. Die Frühlinge lösten die Winter ab, die Lebensjahre flogen mit den Kranichzügen weg, und nach fast zwanzig Jahre der Ehe gab es keine Hoffnung auf eine Geburt.

 

Zu diesem Zeitpunkt lebten ihre Vorväter schon seit ein paar Jahrhunderten  in diesen weiten Wolgagebieten, aus dem fernen Deutschland nach Russland ausgewandert. Obwohl die Nachkommenschaft ihre Lebensweise, Bräuche und Mentalität erhalten hatte. Eigentlich begriffen die Kolonisten genau, in was für einem großen Staat jetzt ihre Heimat war, aber die Ereignisse, die in diesem Staat geschahen, blieben nun jenseits ihrer Häuser. Aber es reifte eine Vorempfindung irgendwelcher  globalen Lebensveränderungen.

 

Die einfachen Hausarbeiten wurden immer öfter mit den auf ihr Leben auflaufenden Nachrichten über die Februarrevolution in Petersburg und Saratow, über die kritische Lage an der Front unterbrochen. Männer wussten über die Situation viel mehr, Frauen fühlten dazu aber die drohende Gefahr für ihre Existenz.

 

 

 

Als unerwartetes Geschenk des Schicksals kam die Mutterschaft, um die sie so lange gebetet hatte, genau in diesem Moment. Schon im Frühjahr konnte sie ihrem Mann mitteilen, dass sie ein Kind erwartete. Die Natur vergalt den Fleiß hundertfach. Der Winter versprach satt und im Wohlstand verbracht zu werden. Die Äste der Bäume im Garten brachen fast unter der Last der Äpfel. Der Altweibersommer war schon lange zu Ende.

 

Es wurde immer schwieriger für die junge Frau, den Haushalt allein zu führen. Und an einem kalten Abend kam ein kleines Baby zu Hause auf die Welt. Der Vater wurde bisschen traurig, dass der so lange erwartete Erstgeborene kein Sohn war, aber gute Gefühle für seine Frau und die Kleine hatten ihn bald getröstet. Einen Sohn würden sie noch später bekommen können. Fast eine Woche genoss die Gebärende ihre Ruhe, da sie von allen Hausarbeiten befreit und in den freundlichen Sorgen der Umgebung gebadet wurde, die sie mit besonderem Essen, das nicht immer zur gemeinsamen Mahlzeit serviert wurde, und mit  Leckereien verwöhnte.

 

Wie jede Mutter, wenn sie ein Kind bekam, entdeckte die Frau eine ganz andere Welt – neue Sorgen, neue Pflichten, neue Empfindungen. Nur die Träume, die sie manchmal fluteten, konnte sie weder erklären noch mit den anderen Erzählungen der Frauen aus ihrer Umgebung vergleichen. Ihre fühlende Angst malte solche schrecklichen Bilder, dass die Mutter fast in Ohnmacht fiel.

 

Sie war eine sehr fromme Katholikin, wusste über die Prophezeiungen aus dem Buch „Die Offenbarung des Johannes“, bemühte sich, nicht zu sündigen, verpasste nie den Sonntagsgottesdienst und das Abendmahl. In diesen Träumen sah sie genau die Bilder der Apokalypse: ihre Welt stürzte ein, Gebäude wurden zerstört, Leute starben. Sie sah noch irgendwelche dicht mit Brettern verkleideten Häuser, in denen die wegen dem schrecklichen Hunger verschwollenen Leute zu dGefangenen geworden waren; die grausam niedergeschlagenen Volksempörungen – furchtbare Zeit, die mit dem Preis von mehreren zehntausend Menschenleben bezahlt wurde.

 

Ein Ungeheuer mit der Sense und klaffendem Loch statt des Gesichts wuchs bald bis zu einem Riesen heran und fraß alle als Moloch, bald verwandelte es sich in eine kaum bemerkbare Blattlaus, die alles ringsherum vernichtete, keine Möglichkeit der Erde Früchte zu geben.

 

Da die unglückliche Frau das, was in ihren Träumen passierte, nicht verstand und damit völlig erschöpft war, konnte sie auch die noch unbekannten Namen der kommenden Ereignisse nicht wissen: „Kollektivierung“, „Entkulakisierung“, „Deportation“.

 

Als sie zu sich kam, versuchte sie ihrem Mann irgendwas zu erzählen, aber er wollte überhaupt nicht zuhören, er bekreuzigte sich nur abergläubisch.

 

Und als sie einmal einen unendlichen beschneiten Wald und gläserne Augen ihres Mannes mit einem schrecklichen Wolfsgrinsen im Traum gesehen hatte, verstummte sie schließlich ganz… aus Angst vor einem größeren Unglück. Ihre lautlosen Worte verflochten sich in ein unendliches Gebet für das Kind, für den Mann, für alle.

 

 

 

So kam Weihnachten, das letzte Weihnachten für sie. Sie spürte es. Die Welt trat in eine neue Epoche ein, die mit der Oktoberrevolution eröffnet wurde. Nur einige Tage später springt das Land in den neuen Kalender, dreizehn Tage überflogen und die Zeitrechnung nach neuem Stil eingerichtet, endlich die ganze Welt nachgeholt.

 

Es gab viel Schnee. Draußen war so ein starker Schneesturm, dass die Kirchenwächter alle Glocken die ganze Nacht läuten ließen, um den verloren gegangenen Wanderern zu zeigen, wohin sie gehen sollten. Man glaubte, dass keiner sich trauen würde, die Nase ohne besonderes Bedürfnis in diesem starken Sturm nach draußen rauszustecken. Aber Leute gingen reihenweise zu der Kirche.

 

 

 

Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir.

 

Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus, der in uns den Glauben vermehre, in uns die Hoffnung stärke, in uns die Liebe entzünde.

 

 

 

Der Gottesdienst war zu Ende, die Leute gingen auseinander. Die Frau blieb lange vor dem Kruzifix stehen.

 

- Mein Gott, erbarme dich unser, rette und beschütze uns.  Rette mein Kind… rette auf Kosten meines Lebens… rette und beschütze mein Kind für ein besseres Leben.

 

Dann ging sie zu ihrer Lieblingsfigur, der Gottesmutter:

 

- Bete für uns, die Allheilige Patrona, rette und beschütze mein Kind…in der kommenden gottlosen Zeit nimm deinen Schutz von meinem Kind nicht weg…

 

Der Priester wollte ihre Gebetsmühe nicht unterbrechen, er ging in die andere Ecke der Kirche. Die Kerzen vor dem Altar waren schon lange erloschen. Nur die vor dem Eingang brannten noch. Fast dunkel. Aber als die Frau sich von den Knien erhob, hatte sie gespürt wie steif ihre Beine wurden.

 

Das war’s. Alles war gesagt. Ihr Glauben würde helfen, sich von der Kleinen zu verabschieden. Die Frau vertraute sie Gottes Vorsehung an. Sie glaubte an die heilige schützende Mutterliebe der Gottesgebärerin. Die ganze Kraft ihres Glaubens legte die Mutter in das Gebet um die Zukunft des Kindes.

 

Sogar der Sturm schien aufzuhören, als ob er sich schämte, dass er die ganze Mächtigkeit seiner eisigen Windstöße auf diese zarte aber furchtlose Frau gelegt hatte.

 

Aber die anderen Kräfte, die außer Kontrolle geraten waren, konnten ihre zerstörende Arbeit nicht mehr aufhalten, Pflügen für die auseinandergeworfene Spreu vorbereitet…

 

Die Frau erlebte noch, wie die Kirche mit Brettern vernagelt und der Glockenturm zerstört wurden. Sie erlosch wie eine Kerze ohne Sauerstoff… und nahm ihr Geheimnis mit. Im letzten Traum sah die Frau eine große schöne Kirche mit  himmlischer Musik unter ihrem Gewölbe, da, wohin ihre Nachkommenschaft vielleicht zu einer Weihnachtsmesse gekommen war…

 

Die Kleine wurde damals gerade erst zehn Monate alt.

 

 

 

Wie kann man diesen mütterlichen Gebetsgroßtat verstehen, einschätzen? Wenn man weiß, dass sie ihr Kind auf Kosten des eigenen Lebens zum Waisenstand, zur freudlosen Kindheit, zum Leben mit einer grausamen Stiefmutter verurteilt hatte, und man glaubt, dass es dem Erhalt des Kindeslebens zuliebe gewesen war. Wenn man sich entschließt das Kind zu verlassen, an Gott glaubend, der es zuerst vor dem ersten schrecklichen Hunger rettet, während nur die Hälfte der Dorfleute überlebt, und dann - von einer noch schrecklicheren Seuche, die sich als Hochwasser auf die Weiten des Landes ausschüttet. Nur Gott schützt die Waise vor der ungeheuerlichen Deportation mit allen Landsleuten nach Sibirien, vor der Grausamkeit des Krieges und den Lagern und sogar später, im sich normalisierten Leben, vor dem Sterben unter den Trümmern während des katastrophalen Erdbebens in Aschchabad…

 

 

 

Fast ein ganzes Jahrhundert ist vorbei. Es ist noch Zeit bis zum Weihnachtsgottesdienst. Die Kirche ist leer, nur eine einzige Kerze brennt vor der Schale mit Oblaten. Draußen tobt ein richtiger Schneesturm, und hier, in dieser riesigen Kirche sind nur sieben Menschen, die lange vor dem Beginn der Messe gekommen sind.

 

 

 

Ich weiß nichts über meine Oma, sogar ihr Name ist bei keinem der fast verschwundenen Verwandtschaft im Gedächtnis geblieben. Und hier scheint es mir, als ob ich sie knien sehe, wie damals in der Kirche der deutschen Kolonie. Im 19. Jahrhundert aufgebau,t bleibt diese Kirche jetzt auch noch nicht bis zum Ende zerstört. An den Wänden kann man sogar noch ein Paar Fresken sehen  - Szenen aus dem Evangelium. So blieb sie als Denkmal einem einst begnadeten Ort, um den das Leben einer der deutschen Kolonien im Wolgagebiet – Marienberg lief.

 

Ich bin froh, dass ich aus meiner atheistischen Kindheits- und  Jugendzeit doch den Weg zur Kirche gefunden habe, wo ich schon seit zwanzig Jahren an dem Fest des ewigen Sakraments – der Erscheinung des Göttlichen Kindes teilnehme.

 

Im Flattern der Flammenzungen der Kerzen kann man den Widerschein der Tausenden Ereignisse sehen, wenn der Schöpfer und die Gottesmutter um Beistand und Hilfe gebeten wurden.

 

 

 

Dein Wille geschehe!...

 

 

 

Der Weihnachtsgottesdienst war zu Ende. Leute gingen die hell erleuchteten Straßen des Südbezirks von Berlin entlang vor der Kirche auseinander. Die geparkten Autos erinnerten an die eingeschneite Siedlung…

 

 

 

 

 

 

 

Im Wald wurde ein Weihnachtsbaum geboren

 

 

 

          

  Weit oben in den Bergen, im schwer zugänglichen Wald, über den Wipfeln Jahrhunderte alter Kiefern und Tannen, wo die Seilbahn endet, wuchs ein kleines, puscheliges Weihnachtsbäumchen heran.

 

Es war ein nachdenkliches, träumerisches Bäumchen. Es freute sich über die Sonne, den Himmel, die Wolken, den Wind und beobachtete  die stolzen Falken, wie sie atemberaubend auf ihre Beute jäh niederstießen.

 

            Die kleine Tanne lächelte alle freundlich an, wofür die anderen Bäume  wenig Zeit hatten, weil sie bei jedem Windhauch gern miteinander über alles und jeden in ihrem Umkreis plauderten.

 

Wen die Sonnenstrahlen wohl am meisten liebkosten, wer häufig mit dem Bergwind flüstert, wer die schönsten Zweige hat,  bei wem die Nadeln die Regentropfen wie bei einer kunstvollen Maniküre länger halten oder wer gern über das eintönige Leben nörgelt.

 

            Viele junge Tannen schauten voller Neid auf die hohen Tannen, die in der Ferne vor dem Hintergrund der verschneiten Berggipfel standen, beschützt von schlanken Riesenkiefern. Sie träumten davon, dass einmal auch neben ihnen solche märchenhaften Beschützer wachsen würden.

 

            Eines Tages bekam der Förster Besuch von Fremden. Ein neugieriger Wind hatte ihr Gespräch über die baldige Abreise der Tannen in eine ferne, große Stadt belauscht. Dort sollte sie etwas Ungewöhnliches erwarten.

 

            Eine ungeheure Erregung erhob sich. Alle jammerten und klagten. Die Bäumchen waren noch ganz jung und hatten noch keine Vorstellung, was ein Feiertag ist, und überhaupt eine Stadt. Viele hatten  jedoch schon etwas aus den Erzählungen der Tannen gehört, die dem Haus des Försters am nächsten wuchsen. Diese Tannen wussten mehr über das andere, geheimnisvolle Leben und kannten sich in der Musik und der Mode aus, weil es ihnen manchmal gelang, in ein Fenster zu schauen und sogar fernzusehen.

 

            Die anderen Tannen jedoch hörten nur den Gesang der Vögel und das Läuten der Glocken von der naheliegenden Kirche und manchmal Melodien aus den geöffneten Fenstern des Forsthauses.

 

            Die engsten Freundinnen unserer kleinen Tanne waren Gordjatschka – die Stolze, Wertuschka – die Lustige und Skripuscha – die Unzufriedene.

 

            Die Stolze war die Tanne, die dem Forsthaus am nächsten stand. Wie keine andere kannte sie sich in der Mode aus, war über das Stadtleben im Bilde und erzählte ihren Freundinnen häufig von ihren Eindrücken aus dem Fernsehprogramm. Stolz unterstrich sie, wie gut sie Bescheid wusste.

 

            Die Lustige aber vergötterte die Musik. Sie war immer bereit, sich zu drehen, beim Glockengeläut und bei jeder Musik, die aus dem Hause des Försters erklang. Und gerade mit ihr drehte der Wind am häufigsten seine Runden und hielt sie in seinem Arm. Seine Komplimente riefen Begeisterung und selige Schwindelgefühle hervor.

 

Sie träumte davon, mit den dahin gleitenden Falken zu tanzen. Diese wählten sich jedoch als Partner nur die leichtsinnigen Wölkchen oder die hochmütigen dunklen Wolken aus.

 

            Die Unzufriedene unterschied sich von allen dadurch, dass ständig alles ihren Widerspruch, ihre Empörung und ihren Tadel hervorrief.

 

            Bei sonnigem Wetter wurde es ihr auf dem Kopf zu heiß und bei Regenwetter floss es ihr zu sehr den Rücken runter. Käferchen aller Art suchten unter ihren Zweigen Zuflucht.

 

Der Wind hielt sich wenig bei ihr auf, kein Vögelchen schenkte ihr sein Lied und auch das Licht drang selten in ihre düstere Krone.

 

            Und dann kam der Tag, an dem alle Tannen, eingehüllt in Netze wie in einen Schleier, auf die ferne Reise geschickt wurden.

 

            Die Tannen waren von dem Weg und von der großen Stadt so beeindruckt, dass sie nicht einmal merkten, wie man sie zu verschiedenen Orten fuhr und dass sie von ihren Freundinnen                                                                                                                                                                          getrennt wurden.

 

            Die Stolze wurde – modisch geschmückt - in dem riesigen Schaufenster eines Kaufhauses ausgestellt. Sie träumte von Perlen, Kerzen und Kugeln, aber ihr Schmuck bestand  nur aus den goldenen Blättchen der Preisschilder, hinter denen sie sich verschämt versteckte

 

            Die Lustige  wurde zusammen mit anderen Tannen, die auch gerne tanzten, inmitten eines festlichen Karussells aufgestellt. Fest umwickelt mit Lichtergirlanden, behangen mit riesigen, selbstverliebten Kugeln, die die Zweige nach unten zogen und ihnen dadurch Freiheit und Leichtigkeit nahmen. Zu Anfang war das heitere Publikum interessant anzusehen  und man konnte sich zusammen mit dem Karussell zu Musik und Kinderlachen drehen.

 

            Die missmutig rauschende Unzufriedene wurde sehr rasch verkauft. Man steckte sie in ein großes teures Auto und fuhr mit ihr in einen Außenbezirk der Stadt. Sie wurde mit teurem, kitschigem Baumbehang geschmückt. Von Geschenken in schönen Verpackungen eingerahmt, ließ man sie allein im Wohnzimmer stehen.

 

            Ein ungewöhnlicher und anstrengender Tag ging zu Ende. Es wurde Abend. Die Schaufenster erleuchteten, die Laternen erhellten die Straßen.

 

Langsam verließ die Hektik die Stadt. Am Heiligabend strebte jeder nach Hause, zur Familie und zu seinen Angehörigen, zum festlichen Tisch und zum geschmückten Weihnachtsbaum. Ein Geschenk zu bekommen, ist natürlich eine Freude, aber doppelt so schön ist es, die Freude der anderen zu sehen, die deine Geschenke empfangen.

 

            Auch der Tannenbaumverkauf wurde langsam geschlossen. Die letzten, verspäteten Käufer trugen  ihre teuren Waldschönheiten fort. Aber wie viele traurige Tannen waren noch in ihren Schleiern stehen geblieben!

 

             Der Verkäufer schaute immer häufiger auf das Zifferblatt der Rathausuhr. Mit jeder Bewegung der Zeiger dachte er immer weniger an den Erlös und an die unverkauften Tannen.

 

            In Gedanken schon bei der ihn zu Hause erwartenden Weihnachtsgans, griff er schon nach dem Autoschlüssel, als plötzlich die Scheinwerfer eines abfahrenden Autos das traurige Gesicht einer vorbei gehenden Frau beleuchteten. Der Verkäufer griff spontan nach einem Weihnachtsbaum, unserem Weihnachtsbäumchen, und reichte es mit einem Lächeln der Frau. Zuerst machte die Frau verständnislos einen Schritt zurück, dann aber erstrahlte ihr Gesicht vor Freude und sie bedankte sich herzlich bei dem Verkäufer und bei dem Schicksal, für ein so unerwartetes und wundervolles Weihnachtsgeschenk.

 

            Den ganzen Weg nach Hause merkte das Weihnachtsbäumchen, wie die Frau es ab und zu an sich drückte, die Spitzen der kuscheligen Zweige streichelte und den erregenden winterlichen Duft des Nadelholzes tief einatmete.

 

            Zu Hause roch es im Zimmer nach Arzneimitteln. Und dann sah das Tannenbäumchen einen begeisterten Blick, der aus dem Bettchen auf sich gerichtet war.

 

Der freudige Ausruf „Mama! Ein richtiger Weihnachtsbaum!“ zerschnitt gleichsam alle Fäden des Netzes, das die Freiheit des Bäumchens einengte. Es reckte sich und streckte seine

 

eingeschlafenen Zweige aus. Der Duft des winterlichen Tannenwaldes und der Berge füllte das Zimmer und verdrängte den Geruch der Medikamente. Der Weihnachtsbaum schaute sich um.

 

 Durch das Fenster sah man einen Balkon und die Dächer der Nachbarhäuser. In der Ferne lief das blinkende Band der Lichter auf der Autobahn. Die Fahrzeuge stoben nach verschiedenen Richtungen,  alles strebte zu einem festlichen Tisch.

 

            Die Frau stellte den Baum in einen Eimer mit Wasser, ganz nahe ans Bett, damit das Kind die kuscheligen Zweige berühren und streicheln konnte. Es gab keine Kristallkugeln und keine Kerzen, aber die Mutter hängte einige ihrer Ohrringe und ein paar bunte Perlenschnüre auf. Der Kleine setzte ein lustiges Plüschhäschen auf einen Zweig.

 

Die Baumspitze schmückte die Hausfrau mit ihrem schönsten Seidenschal und band daraus eine Schleife.

 

            Nun war es Heiligabend.  In der Frostluft, in der man die Erwartung des märchenhaften Feiertags spürte, hörte man den silbernen Klang der Glocken von allen Kirchen der Stadt.

 

            Der glückliche kleine Junge lächelte schon längst in seinen wunderschönen Träumen.

 

Der Schokoladenschneemann stand auf dem Tisch und bewachte das liegende Thermometer.

 

            Die Hausfrau schaute verzaubert auf die Flamme der Kerze, als ob sie versuchte, darin die kommenden Ereignisse zu erblicken: der Junge würde gesund werden… sein Vater würde  zurückkommen …das Glück würde ihr begegnen …

 

            „Dein  heiliger Wille geschehe!“, sprach die Frau.

 

            Das Weihnachtsbäumchen hörte das geflüsterte Gebet. Es war glücklich und froh, weil es diesen Beiden, die ihm von jetzt an nahestanden, seine Liebe schenken konnte.

 

Es winkte leise mit der Schleife und die Frau erwiderte es mit einem Lächeln.

 

            Wie konnte das Weihnachtsbäumchen wissen, dass die Unzufriedene schon am nächsten Weihnachtsmorgen an den Straßenrand geworfen wird, weil sie ausgedient hat.

 

Die immer nörglige, stachlige und neidische Unzufriedene lag neben einem gleichgültigen Laternenmast. Tränen der Kränkung vermischten sich mit den Spritzern von Schneematsch, die von den  hin und her fahrenden Autos hochflogen.

 

            Und die Lustige, die in dem Weihnachtsmarktrummel den Kopf vollständig verloren hatte und darum müde und eingesunken war, wird zusammen mit den anderen Tannen aus dem Karussell genommen und zu Spänen verarbeitet.

 

            Die Stolze hat etwas mehr Glück. Nachdem sie im Schaufenster hochmütig gestrahlt hatte, wird sie nach dem Weihnachtsfest von den schon bereitstehenden Osterhasen und Osterkücken abgelöst werden.

 

            Ein Weihnachtsmärchen sollte nicht traurig enden. Das Weihnachtsbäumchen wird aus dem Eimer in einen schönen Topf umziehen und nach wie vor seinen neuen Freunden Freude bereiten. Der Tannenduft aus den Bergen wird die Krankheit aus dem Jungen vertreiben und seiner Mutter Beruhigung in dem Wirbel der Ereignisse bringen.

 

Und da, wo Ruhe ist, ist auch Freude und der Glaube an eine helle Zukunft.

 

 

 

 

 

 

 

Das Schicksal

 

 

 

 

Wisse: Was an dir vorbei gegangen ist, sollte dir nicht passieren, und was mit dir passiert ist, sollte nicht an dir vorbeigehen….   (aus dem Koran)

 

 

 

            Im Jahre 1939  kam ein junges Mädchen mit einigen seiner Bekannten aus dem deutschen Dorf Marienberg im Wolgagebiet nach Turkmenien.

 

            Die Hauptstadt Aschchabad, eine wunderliche, freundliche, ausreichend satte Stadt, nahm das Mädchen, das schon bittere Lebenserfahrungen mit einer Stiefmutter hatte, wie eine eigene Tochter auf.

 

            Nach den Kinderjahren in der deutschen Kolonie erstaunte die neue internationale Umgebung anfangs das Mädchen außerordentlich, aber dann wurde sie bald zur Norm ihres Lebens.

 

            Turkmenen, Perser, Tataren, Usbeken, Ukrainer, Polen, Russen, Juden lebten nach ein und denselben Regeln ihres sozialistischen Staates. Ihre Sitten und Gebräuche wurden leicht voneinander übernommen, über die Essgewohnheiten, den Verkehr miteinander. Somit entstand ein einzigartiges Konglomerat.

 

            In einer solchen Umgebung fiel auch das Erlernen der neuen Sprache, des Russischen, nicht schwer. Niemand lachte über die Aussprache, eine unrichtige Grammatik oder falsche Betonung. Jeder eignete sich auf seinem einfachen Niveau im Umgang diese „große und mächtige“ Sprache an. Gerade damals  fanden so viele Sprichwörter der verschiedenen Völker Eingang in das Leben des Mädchens, die dann ihr ganzes Leben aus ihrer Rede wie Erbsen herauspurzelten….

 

            Das Leben vor dem Krieg, mit seinen uns nur aus den Geschichtsbüchern bekannten Losungen wurde für sie mit jedem Tag interessanter. Das Volk lebte und arbeitete für eine helle Zukunft und glaubte an die Regierung und die Partei, die klar bestimmten, wer ein Feind war und wer nicht. Der ausgebrochene Krieg mit seinem Elend brachte alle einander noch näher.

 

            Unsere Bekannte und die anderen aus ihrem Dorf, die nicht in das Wolgagebiet zurückgekehrt waren, wurden vom Schicksal von der ungeheuerlichen Deportation ihrer Landsleute nach Sibirien, von den Greueln und Nöten des Lebens in den für die russischen Deutschen geschaffenen Arbeitslagern verschont.

 

            Es muss gesagt werden: Bei dem allgemeinen Hass gegen die Faschisten, gegen die Deutschen, hatte unsere Heldin nicht sehr viel persönlichen Hass zu spüren. Natürlich gab es die Aufsicht, aber in dem weit entlegenen Turkmenien war alles nicht so erniedrigend und hart wie an anderen Orten.

 

            Ihr Mann, ein Deutscher, wurde in die Arbeitsarmee einberufen. Bald darauf verlor die junge Frau durch einen Unfall ihr Kind: In der Krippe wurde vertuscht, dass das Kind infolge mangelhafter Aufsicht von einem Treppchen gefallen war. Der Kummer, die Angst um das Schicksal ihrer Angehörigen, die bedrückenden Frontnachrichten, die wachsende Verzweiflung schmiedeten ihre Seele in einen Panzer, der für viele Jahre die Grenzen ihrer inneren Verschlossenheit  bestimmte. Aber auch nach außen – die Lage trug dazu bei, dass die Leute sogar vor ihren eigenen Gedanken Angst hatten. Das Leben war schwer, aber der Krieg lag hinter ihnen.

 

            Der lang ersehnte Sieg hatten die Hoffnungen wieder aufleben lassen, das normale Leben kehrte zurück. Nicht zurück kehrte jedoch der Ehemann, umgekommen in den Lagern, wie so viele Deutsche, die als Feinde im eigenen Staat gegolten hatten. Aber das Leben ging weiter. Wieder wurde ein Sohn geboren. Die dreißigjährige Frau erinnerte schon nicht mehr an das einstige Mädchen, das von dem unbekannten Stadtleben erschreckt worden war.

 

Sie sprach recht gut Russisch, obwohl sie die Rechtschreibung noch nicht bewältigt hatte.

 

Alles kam allmählich ins Lot.

 

            Nichts kündigte das Unheil an. Das südliche Klima bescherte einen samtweichen Herbst, der den wie gewohnt heißen Sommer abgelöst hatte. Und plötzlich bäumte sich die Erde auf. Der erste Stoß des Erdbebens spaltete die Häuser als seien es Nüsse. Schon der zweite Stoß zerstörte alles und machte es zu Schutt. Die heil gebliebenen Gebäude in der Stadt konnte man an den Fingern abzählen.

 

            Zehntausende Bewohner waren nicht mehr am Leben.

 

            Unserer Heldin konnte geholfen werden – sie wurde unter den Trümmern ausgegraben, aber ohne ihren Sohn.

 

            Wieviel kann ein Mutterherz aushalten ? Die Keime des Glaubens, die sich unter dem totalitären Atheismus nicht entfalten konnten, haben sie halten können und nicht zugelassen, in bodenloser Verzweiflung zu versinken.

 

            Wieder musste das Leben von Neuem begonnen werden. Das neue Unglück schweißte die Menschen noch mehr zusammen. Das ganze Land half, die zerstörte Stadt wieder aufzubauen. Das nationale Selbstbewusstsein, das sich heute bei den Nationalisten aller Schattierungen trennend auswirkt, war damals ein allgemein menschliches. Und die, die diese Katastrophe überlebten, haben die Stafette weitergetragen und wurden Kosmopoliten, die erkannt haben, dass die gemeinsamen Interessen und Werte der Menschen höher stehen als die Interessen einer einzelnen Nation.

 

            Nach drei Jahren bekam unsere Bekannte eine Tochter. Als sie heranwuchs, merkte sie, mit welchem Akzent ihre Eltern sprachen. Trotzdem sie in Geschichte des Staates beste Zensuren hatte,  hatte sie keinen Begriff davon, durch welche Feuerschlünde das Schicksal ihre Angehörigen geführt hatte, und was ihr Schweigen verbarg. Es vergingen noch viele Jahre, bevor sie verstand, warum sich ihre Eltern in den letzten Dezembertagen so für ihre Begriffe ungewöhnlich verhielten: Eine innere Freude in Erwartung von etwas Ungewöhnlichem. Die Freude stammte aus ihrer Kindheit, war tief in ihrer Seele versteckt.

 

            Viel später bestimmte das Schicksal, dass die Tochter sich Jahrzehnte lang mit der Erforschung von Vorboten von Erdbeben beschäftigen würde.

 

            Was ist das, ein Erdbeben ?  Eine Strafe ?  Ein unsinniges Wirken der Natur  ?

 

            Aschchabad lässt sich  nicht vergleichen mit den biblischen Städten Sodom, Gomorrha und Babylon, die für ihre Sünden bestraft wurden.

 

            Der Atheismus erklärte bequem alles nur mit der gestiegenen seismischen Aktivität.

 

            Aber in unserer Welt kann es keine Folgen ohne Ursachen geben. Die Statistik aller Erdbeben bestätigt :  Es geht nicht nur um die Spannungen der Schichten der Erdkruste, ihre Verformung. Etwas wird hineingetragen durch die Verhältnisse im Sozium, stört die Bilanz der Harmonie des Menschen und der Natur.

 

            Wir können die Werke Gottes nicht verstehen, geschweige darüber urteilen.

 

Wir durchleben die Ereignisse und ziehen daraus Schlüsse. Aber wenn es keinen Glauben gibt, so durchleben wir das Leben in der vom Schöpfer geschaffenen Welt, eine solche Existenz ist unsagbar schwer.

 

 

 

 

Emigration

 

 

 

 

 

Nicht zum ersten Mal stand mir eine weite Reise bevor. Man kann allerdings nicht sagen, dass ich mich so sehr darauf freute, Heimatland zu verlassen. Aber die Notwendigkeit dem ewigen Gesetz des Daseins zu folgen rief keinen Widerstand aus und war nie zu bestreiten.

 

Es gibt Etwas, was höher ist als subjektives Verständnis von Lebensfragen, unseren Wünschen und natürlich von Emotionen. Das ist wie Göttliches Geheimnis.

 

Es beinhaltet in sich die Möglichkeit zur Veränderung, Annäherung zur Vollkommenheit. Deshalb folgt man einfach der Göttlichen Vorsehung, in der Seele das sakrale Gefühl der Verbindung mit der heimatlichen Welt aufbewahrend. Das erschreckt nicht, denn alles und alle sind immer unter Seiner Rechten.

 

Die Zeit für Lösung von neuen Aufgaben ist also gekommen.

 

Es wurde eine weitere Erkenntnis von Aspekten des menschlichen Daseins erwartet.

 

Das versprach den Übergang auf ein qualitativ höheres Niveau der Entwicklung des Bewusstseins. Im Wesentlichen ging es einfach um erneute Migration, Erforschung der Mentalität einer anderer, neuer Umgebung. Und wieder nahm ich von meinen Freunden für längere Zeit Abschied. Aber was ist das im Vergleich mit der Ewigkeit? Umso mehr war es so, dass das Treffen mit den vertrautesten von ihnen in einer unbestimmten Zeit auch dort bevorstand.

 

Mitte des letzten Jahrhunderts. Das Land war für mich neu, interessant – bis jetzt mir noch unbekanntes mentales Milieu mit einem ungewöhnlichen Lebensstil seiner Bewohner.

 

 Die Stadt sah mehr als ungewöhnlich aus: viele zerstörte Bausubstanz. Das war das Ergebnis von einem katastrophalen Erdbeben, das vor ein paar Jahren in einer samtigen Nacht im Herbst geschah, der den gewöhnlich schwülen Sommer ersetzte. Zehntausende Menschen waren damals auf die andere Seite des Lebens geraten. In der ganzen Stadt konnte man an den Fingern heil gebliebene Gebäude zählen.

 

Auch jetzt blieben noch einige Stellen unaufgeräumt, aber es gab auch schon einige Neubauten und überall, wie Pilze nach dem Regen, vermehrten sich Lehmhütten – selbsterbaute Häuschen, bei welchen als Baumaterial alles verwendet wurde, was man aus den Trümmern von zerstörten Häusern ausgraben konnte. Die Zäune zwischen ihnen wurden aus Zaunpfählen und Brettern, Eisenblechen und Sperrholz zusammengeschustert. Insgesamt erinnerte das Ganze an eine gigantische Wohngemeinschaft. Die sogenannten Duvaly, Lehmmauer, die an einigen Stellen bereits aus Ziegelsteinen gebaut werden, umrissen die Straßen, Gassen und brachten somit diesem Chaos eine bestimmte Ordnung.

 

Die Lebensweise von Einheimischen war eher gemeinschaftlich als individuell, abgetrennt. Multinationale Umgebung: Turkmenen, Perser, Armenier, Tataren, Usbeken, Ukrainer, Polen, Juden, Russen. Farbenreiche Bräuche und Alltagsorganisation wurden leicht voneinander übernommen mittels Kommunikation, Kochkunst und Handwerk, und so wurde dieses einzigartige Konglomerat geschaffen. Buntes Mosaik aus asiatischer und europäischer Kulturen. Vermischung von Sprachen, fast wie im biblischen Babylon, obwohl sich Russisch als anerkannte Sprache für die Kommunikation, sowie und als Amtssprache auszeichnete. Ob gut oder schlecht, aber alle unterhielten sich in dieser Sprache. Wenn Wörter fehlten, halfen Mimik und Gesten. Niemand lachte fehlerhaften Ausdruck, falsche Aussprache oder Betonung aus. Das Leben selbst wurde von verschiedenen Leitsätzen und Losungen begleitet, die das ganze Volk unterstützten und lenkten, denn nach wie vor lebte das Volk nur mit dem Glauben an die liebe Partei und Regierung. Diese beiden ihrerseits zeigten ganz klar: wer Feind ist und wer nicht, und welche Entbehrungen im Namen von bevorstehender heller Zukunft ertragen werden müssen?

 

Letzte Sommertage. Die Tagesschwüle gab wenigstens nachts den Menschen eine kleine Verschnaufpause. Denn die Zeit von rettenden Klimaanlagen war noch nicht gekommen, genauso wie vom Fernsehen, geschweige denn von Mobiltelefonen und Computern.  Ich erforschte die Stadt, die Grünanlagen, die Parks, die Straßen. Besonders anziehend fand ich farbenprächtige orientalische Märkte mit ihrer lauten sprachlichen Polyphonie, die ihr besonderes Kolorit hatte. Pyramiden aus Weintrauben verzauberten. Von überall kamen schwindelerregende Düfte von reifen Melonen und orientalischen Gewürzen angeschwommen.

 

 

 

Eine Vielzahl von Akzenten verzierte die dominierende russische Sprache. In einigen Fällen wurden Fragen von Käufern durch Gesten von Zeigefingern und Lächeln ersetzt. Antwortlächeln von Verkäuferinnen konnte man nicht immer sehen, denn die Turkmeninnen in ihren hohen Kopfbedeckungen, die ´Boriks´ hießen und die wie eine Krone ihre Köpfe krönten, bedeckten auch ihren Mund mit so genannten ´Jaschmak´, Teilen des Schals.  Die Frauen waren sehr attraktiv. Einige zogen über ihre Kleider, die meistens in verschiedenen Rottönen waren und aus dem handgearbeiteten Stoff angefertigt waren, noch eigenartige kopfbedeckende Mäntel mit dekorativen falschen Ärmeln. An Kleider von Mädchen waren kürzer und man konnte Pumphosen mit einem breiten Streifen mit der Stickerei sehen. Diese Hosen harmonierten meiner Meinung nach überhaupt nicht mit den unverzichtbaren asiatischen spitzen Gummigaloschen. Dafür hatten fast alle irgendwelchen Silberschmuck mit Karneol, Türkisstein und Korallen.

 

Genauso gerne und lange beobachtete ich Teestubenmänner, die gewandt Teekannen mit grünem Tee, Schüssel und Schalen zwischen den mit Filzmatten und Teppichen bedeckten Liegebetten unter weitverzweigten Bergahornen hin- und hertrugen. Dort lehnten sich zurück oder saßen immer nur Männer. Einigen hatten sogar bei vierzig Grad Hitze ein paar Mantel aus dem gestreiften Stoff an, am häufigsten rot mit weißen oder schwarzen Streifen,  oder Steppmäntel mit zu Gürtel verdrehten Tüchern und obligatorischen Scheitelkäppchen auf dem Kopf, über welche dann noch eine große zottelige Mütze aus Lammfell – ´Telpek´- aufgesetzt wurde.

 

Das Rieseln des Wassers in ´Aryken´, kleinen Bewässerungskanälen, die für hiesige Orte so kostbares Wasser und Frische trugen, vervollständigte das Bild vom geruhsamen und  gemessene, und sogar nicht hauptstädtischen Leben. So interessant war es für mich, die neue Umgebung zu erkunden.

 

Der September kam. Ich suchte weiter nach dem Ziel, zu dem es mich so zog. Ich gelangte in einen Bezirk mit unfassbaren Bauten, der einem kniffigen Labyrinth aus Gassen und Gässchen mit einer Vielzahl von Sackgassen ähnelte. Das bunte Mosaik von Häuschen mit fast unverzichtbaren Attributen des südländischen Stils – Liegebetten und Weinbergen – war plötzlich durch ein großes helles, aber geschmackloses Gebäude zerstört, das hinter an einigen Stellen hoher Ziegelwand sein Ödland versteckte. Es war die Neugier, die mich dahin zog, und so warf ich einen Blick in dieses ungewöhnliche Haus, das sich als Schule erwies. Plötzlich wurde die Stille des dämmernden kühlen Korridors durch das Glockenläuten gesprengt, und eine vielstimmige Kinderschar füllte ihn schnell aus, sie fiel hinaus und füllte den ganzen Hof aus. Die laute Welle überflutete auch die Hütten, die sich das Risiko erlaubten, sich dem Schulgebäude zu nähern, genauso wie die Höfchen, die sich hinter den wackeligen Tonzäunen versteckt haben. Ihre Bewohner mussten sich mit den anfliegenden Bällen abfinden, genauso wie mit zerbrochenen Fensterscheiben und dem Lärm der Schüler, der die friedliche und ruhige Erholung störte.

 

Eine junge Frau mit einem Schlüsselbund ging eilend vorbei. Sie war nicht groß niedlich, grünäugig, mit einem Gesicht, das nicht an Puder und Lippenstift gewohnt war. Sie hatte ein Kopftuch auf das erfolglos versuchte ihr welliges kastanienbraunes Haar zu verstecken. Ihre ein wenig zusammengerückten Schulter verliehen ihr den Anblick eines Menschen, der immer zur Verteidigung bereit war. Verschämt versuchte sie immer ihre Hände zu verstecken, deren Finger durch einen Balken deformiert wurden, der sie während des Erdbebens getroffen hat. Ihre Zurufe an die lauten Kinder waren eher von einer gekünstelten Ernsthaftigkeit und so wurde klar, dass ihr dieses Karussell sogar gefällt. Bereits einigen Monaten arbeitete sie als Hausmeisterin in der Schule und wunderte sich immer noch, wie es dazu kommen konnte. So eine Arbeit ohne Hilfe der Fügung zu bekommen war unrealistisch: vom Schicksal nicht immer  liebkost, wenig gebildet, mit starkem Akzent, sprach sie Russisch mit Fehlern, Turkmenisch verstand sie sehr schlecht, und nicht zu vergessen - ihre „vom Krieg angeschlagene“ Volkszugehörigkeit. Aber schon die Tatsache, dass das Schicksal an ihrer Seite stand, als sie die furchtbare Deportation am Anfang des Krieges zusammen mit anderen Landsleuten aus der Wolga-Region nach Sibirien vermeiden konnte, denn vier Jahre davor sie in einen abgelegenen Ort in Turkmenistan gelangte, zeugte von merkwürdiger Neigung der Fortuna. Alle ihren Verwandten wurden ins Exil geschickt, ihr Mann starb in einem der Arbeitslager gegen das Ende des Krieges, wie auch andere Deutsche, die in ihrer Heimat zu Geächteten wurden. Es schien, dass jene Kriegsjahre, Jahre der Aufsicht durch die Kommandatur, auch wenn sie nicht so erniedrigend und hart waren wie an anderen Orten, bereits der Vergangenheit angehörten, aber viel Kummer, genauso wie ab und zu anrollende Verzweiflung und Angst haben ihre Seele fest in einen Panzer geschlossen, der für lange Jahre die Grenzen ihres Einsiedlerlebens gesetzt hatte. Es schien aber, dass die Sprossen des Glaubens der Eltern, die unter dem totalen Atheismus keine Ähren treiben konnten, trotzdem geholfen haben, das Einsinken in den Abgrund der Verzweiflung zu vermeiden. Und bereits zwei Jahre war es her, als nach dem schrecklichen Ereignis, dem Erdbeben, meiner Heldin geholfen wurde, über die Grenze des Nichtseins überzukommen – sie wurde aus den Trümmern ausgegraben, allerdings ohne ihren kleinen Sohn.

 

 

 

Das Erlebte machte sie gleichzeitig selbstlos, furchtlos ... und feige.

 

Hoffnungslose Sehnsucht verbunden mit Angst, die Nächte in einen Albtraum verwandelte, hörte endlich auf, tagsüber zu kommen. Sie widmete sich selbstlos der Arbeit, verbrachte dort Tage und Nächte. Die Arbeit der Hausverwalterin ist auf keinen Fall die Arbeit eines Leiters, sondern die Arbeit eines Vollziehers.  Denn alles, sogar die schwerste Arbeit, machte sie selbst und war immer ein Beispiel für ihr Mündel, das übrigens nicht immer mit ihr zufrieden war. Es war zu bewundern, wie perfekt sie trotz ihrer schlechten Bildung die Buchhaltung geführt hatte: Jede einzelne Schraube, Stück Seife oder Kreide wurden registriert und berücksichtigt. Vielleicht, weil alle diese Kleinigkeiten ihre Gedanken füllten, gab es keine Zeit, an das unglückliche Schicksal zu denken und auch daran, dass es keine zuverlässige feste Mannesschulter in der Nähe war, an die sie sich lehnen könnte. Die Träume von jemandem, der ihren Wunsch nach einem gewöhnlichen Frauenglück spüren könnte und sich um sie kümmern würde, wurden weggejagt genauso wie Träume von jemandem, der sich bemühen würde endlich ihre so überbelastete, aber so widerstandsfähige Schulter zu befreien.

 

Mein Erscheinen in ihrer Nähe war ihr noch nicht bewusst, aber sie bekam immer öfter unverständliche und deshalb beunruhigende Träume von ihrer verwaisten Kindheit, von ihren Kindern. Obwohl so merkwürdig war das auch nicht, denn den ganzen Tag verbrachte sie umgeben von Kinderstimmen. Und mein Interesse an ihr wuchs mit jedem Tag. Ich erfuhr immer mehr über sie, ihre Lebensweise, Beschäftigungen, Umgebung.

 

Zum ersten Mal seit langer Zeit und nach einer Reihe von Unheilen – Tod des Vaters, des Mannes,  des Kindes, Erdbeben – wurde die Frau durch Farben des Lebens gefüllt. Sie öffnete sich für bunte Farben der Stickerei. Sie arbeitete an ihnen ohne müde zu werden, zu Lasten des Schlafs, und bald wurde alles im Haus mit diesen wunderbaren Stickereien umhängt. Dieser Überfluss aber schuf keinem wurde nicht zum Kitsch. Sie waren wie Dekorationen ihres Lebens, riefen Träume wach. Die Farbtherapie entfernte das Negative aus ihrem Leben. Sie begann mehr Aufmerksamkeit ihrer eigenen Person zu schenken, ihrem Aussehen. Hörte damit auf, ihre schönen dichten Haare unter dem Kopftuch zu verstecken. Nähte sich neue Kleider. Sie begann sich mehr mit anderen zu unterhalten. 

 

Ich erkannte inzwischen schon ihre besten Freundinnen. Beide waren Grundschullehrerinnen. Eine von ihnen war eine kleine dunkelhaarige Frau aus weiter russischer Provinz, sie schien anfangs zu streng zu sein, manchmal sogar unfreundlich. Immer misstrauisch, machte sie den Eindruck, als hätte sie ständig Angst, dass jemand sie mit einer höhnischen Bemerkung oder Verhöhnung verletze, denn sie war eine Bucklige. Der Buckel verunstaltete ihre Figur. Zur Seite gerückt machte er ihren Gang sehr unbeständig und wackelig, womit sie zu ihrer Enttäuschung noch mehr auffiel. Es war klar, dass die Verstümmelung das große Unheil dieser Frau war, aber  das hat ihren Charakter nicht verdorben, der insgesamt eher offen, gutmütig und fügsam war. Das Schicksal beschenkte sie mit einer Ehe, obwohl böse Zungen daran nur eine Art Lottogewinn sahen. Der schöne, stattliche Mann (vielleicht zur Unterdrückung des Stolzes?) verursachte große Beunruhigung bei seiner Frau, die alle Blicke merkte, die ihm zugeworfen wurden, und noch mehr diejenigen, die er anderen Frauen hinterher warf. Die Situation war so, dass die Nachfrage nach Männern viel größer war als die Zahl derer, die der Moloch der Kriegszeit nicht schlucken konnte. Kurz gefasst, Ihr Mann war ein attraktiver Blonder, arbeitete als Spediteur und rief eine Menge Neid bei alleinstehenden bekannten und fremden Frauen aus.

 

 

 

Der Ehemann der anderen Freundin war Physiklehrer. Und so wie es schien, verhielt er sich seiner Frau gegenüber mit größerer Liebe, als sie zu ihm. Sie war eine attraktive Frau, vom Kosakenblut, ihrer Schönheit war sie bewusst und sie war nicht nur darauf aus, sich komplett der Familie zu widmen, und gab oft ihr erstes Kind ihrer Schwiegermutter zur Pflege..

 

Das für alle sichtbare Leben konnte manchmal leicht mit einem wirbelnden Drama konkurrieren, der einzige Unterschied war wohl, dass es selten Applaus vom begeisterten Publikum erhielt. Das asiatische Klima unterstützte eine solche Art zu leben. Obwohl herkömmliche fast nur angedeutete Zäune Haushalte voneinander trennten, verlief das Leben manchmal vor allen Augen, man besuchte sich ständig einander, ob mit einem Zweck oder ohne. Die gemeinsame Nutzung von Werkzeug und solchen notwendigen Haushaltsgeräten wie  Bügeleisen, Nähmaschinen, Fleischwölfen und Kochkesseln machte wenige Leute verlegen. Genauso alltäglich waren die Bitten um Salz, Zucker, Streichhölzer, Seife, Nägel und andere Sachen.

 

 

 

 Von der Hitze und schwülen Nächten retteten sich die Bewohner in kleinen Höfen auf breiten Holzliegen, in nasse Betttücher umgewickelt, denn die meisten hatten sogar keine Ventilatoren. Und selbstverständlich konnte hier keine Rede von Telefonverbindung sein: In den neuen zweistöckigen Wohnhäusern gab es noch eine Hoffnung auf Telefonkabel, aber in den Bezirken mit selbstgebauten Hütten war sogar die Stromversorgung nicht stabil, deshalb war die Nachfrage nach Petroleumlampen so groß.

 

Die Nachbarn wussten alles über einander oder fast alles. Aus der Nähe konnte ich unbemerkt den Alltag meiner Heldin beobachten. Ihr kleiner Hof mit dem Häuschen mit zwei Zimmern schien eine kleine ungewöhnliche Insel zu sein, die blitzblank geputzt war, im Frühling regelmäßig gestrichen, mit gepflasterten Wegen, umgeben von Weinreben und fast völlig verdeckt von dem riesigen Ailanthusbaum, den man im täglichen Gebrauch schlicht Stinkbaum nannte, wegen den beim Entfalten unangenehm riechenden Blättern. Der kleine Raum unter dem Vordach des Hauses verwandelte sich in eine Sommerküche, wenn dorthin  Petroleumkocher oder ein Kerosin-Herd rausgebracht wurden. Hier standen immer mit Wasser gefüllte Eimer, denn der gemeinschaftliche Wasserhahn befand sich am Anfang der Straße. Der nicht asphaltierte Weg zu ihm wurde zu einer Bewährungsprobe zu der regnerischen Jahreszeit, im Sommer aber machte der ständige Staub das Grüne überall fahl, wenn es überhaupt nicht von der brennenden Sonne ausgebrannt wurde.

 

 

 

Zu anderen Zeiten wurde das Mittagessen im Haus auf dem Herd gut zubereitet, der gleichzeitig auch beide Zimmer beheizte. Dieser Ofen wurde auch der Hausbewohnerin selbst gebaut, wie übrigens auch das ganze Häuschen selbst. In einem kleinen Schuppen, der entweder sich auf den Zaun stützte oder von ihm unterstützt wurde, bewahrte sie den Vorrat an Holz und Kohle. Später wurde dort auch der Hund untergebracht – eine lebendige treue Seele, die zum Schutz der Einsamkeit der Frauchen diente. 

 

Die Freundinnen trafen sich mal bei einer, mal bei der anderen. Wenn es keine gemeinsame Beschäftigung gab, so las eine von ihren etwas vor, eine andere kommentierte sehr gerne jedes Ereignis, die dritte aber - stickte oder strickte unzählige Spitzen, mit denen sie Bettwäsche, Tischdecken, Servietten verzierte und nicht nur bei sich zu Hause.

 

Zum Winterhin kannte ich ihre Gewohnheiten bereits gut, all ihren Erlebnisse. Und dafür brauchte ich nicht mal etwas zu belauschen. Alles war so offensichtlich. Die attraktivste von ihnen war in eine neu gebaute Villa umgezogen, wurde viel ruhiger und sesshafter und verbrachte schon weniger Zeit außer Haus. Die Bucklige, egal wie sehr sie ihre Freundin liebte, sah in ihr trotzdem weiterhin Gefahr für ihr Familienglück, denn ihr von Aufmerksamkeit verwöhnte Ehegatte verhielt sich gut, manchmal sogar zu gut zu der Freundin seiner Frau, wenn sie zu dritt Zeit verbrachten, indem sie Lotto spielten oder zu Schallplatten tanzten. Aber diese lebte weiter in ihrer erfundenen Welt, mit ihren Wünschen und Träumen von einem zukünftigen Verlobten.

 

Die Verwaltung der Schulwirtschaft verlangte beachtliche Fertigkeiten und Kenntnisse ab, an denen es meiner Vertrauensperson sichtlich fehlte, aber die Aufgewecktheit, Pünktlichkeit und Ehrlichkeit gewannen die Oberhand. Nachts verbrachte meine Nähmeisterin stundenlang bei ihrem Stickrahmen, manchmal sogar beim Licht der Petroleumlampe, wenn der Strom abgeschaltet wurde. Die ganze innere Freude kam bei den Stickereien durch geschickt ausgewählte Farben zum Schein. Sie konnte auf vieles verzichten, aber nicht auf Mouline-Garn, den sie nur auf dem Stadtbazar ergattern konnte, dem sogenannten  ´Schubsmarkt´.

 

Ich lauerte bereits mit Zärtlichkeit die Rückkehr der Hausherrin nach Hause nach der Arbeit auf. Mit großer Aufmerksamkeit versuchte ich in ihrem Gesicht irgendwelche unwahrscheinlichen oder lang erwarteten Neuigkeiten zu lesen. Ich ertappte mich dabei, dass ich mit ihr in Gedanken bereits geistige Gespräche zu führen anfing. Es freute mich, wenn ich ihre Gedanken erraten konnte. Mit dem tragischen Tod ihres Kindes, das lebend in der damaligen furchtbaren Nacht begraben wurde, ist die Mutter in ihr nicht gestorben, die Mutterschaft lebte in ihr weiter, zeitweise nur in Träumen. 

 

Da man eng und nah beieinander wohnte, fiel es nicht schwer, sie zu beobachten. Deshalb fiel mir gleich das neue Gesicht Umkreis auf. Das war ein ziemlich junger Mann mittlerer Größe, mit braunen Augen, hohen Wangenknochen, rabenschwarzen Haaren, der zu einer Lehrerkonferenz mit dem Zweck Erfahrungsaustausch kam. Er hatte eine pädagogische Hochschule in der Fachrichtung Geschichte absolviert, aber er beschäftigte sich mehr mit der Organisationsarbeit von Teenagern, indem er irgendwo in der Provinz Station junger Techniker gründete.  Es war offensichtlich, dass ihm sofort die schweigsame Meisterin gefallen hat. Allmählich begann sie ihm mehr und länger zuzuhören. Sie waren so verschieden. Wie nur Menschen zweier verschiedenem Kulturen sein können: europäischer und asiatischer, aber die trotzdem von dem für das riesige Land gemeinsamen sozialistischen System erzogen wurden. Dazu kam noch der große Altersunterschied.

 

Ich beobachtete auch früher nicht ohne Eifersucht männliche Umgebung meiner Leisetreterin. Es gab viele, die auf ein leichtes Verhältnis mit ihr hofften, auch solche die schon gebunden waren. Und nicht ohne Gründe war die Freundin mit dem Schönling-Ehemann auf sie eifersüchtig. Aber meine Heldin blieb unnachgiebig, vielleicht sogar zu streng in ihrer Askese, die lange Jahre nach dem Tod ihres Mannes dauerte.

 

Die Zeit verging. Und immer wieder schaffte es der neue Bekannte unter verschiedenen Gründen in die Hauptstadt zu kommen. Und hier angetroffen eilte er nicht zurück in die Provinz, obwohl von zu Hause die Aufforderungen zu seiner unverzüglichen Rückkehr immer deutlicher kamen.

 

Und wieder war es soweit: Ein neuer Fortbildungskurs war an der Reihe, und so  erschien er wieder an der Schwelle ihres Hauses. Plötzlich wurden die Freundinnen eifersüchtig, denn früher beeilte sich der Kollege in erster Linie sich mit ihnen zu treffen. Obwohl die Freunde schienen sich für sie zu freuen-früher unternahmen sie doch selbst immer wieder Versuche das Schicksal ihrer Freundin zu arrangieren, - aber da sie jahrelang nebeneinander wohnten und praktisch wie eine große Familie waren, in der es keine Geheimnisse von den „Familienmitgliedern“ gab, rief diese plötzlich aufgeflammte, aber sorgfältig versteckte  Sympathie von den beiden große Eifersucht bei den Freunden aus.

 

Später stellte sich heraus, dass die ungewohnte Abwesenheit meiner Bekannten teilweise auch einen Einfluss auf die Familienverhältnisse ihrer Freunde machte. Der Ehemann schenkte plötzlich viel mehr Aufmerksamkeit seiner Frau und man sah, wie diese aufblühte. Sogar ihr Gang wurde anders – er wurde so viel leichter, dass sie selbst manchmal ihre Verstümmelung vergaß und glitt fast durch die Luft.

 

In Erinnerung blieb der Tag, als auch ich spürte, dass die junge Frau ihre Wahl bereits getroffen hatte. Dann begann ich mit noch größerem Interesse ihren Auserwählten zu beobachten, wobei mich besonders seine Fürsorge um sie bestach, und auch seine Scheu vor etwas Unbekanntem, aber Anziehendem in ihr. Sogar ihre Sprache, unrichtig und mit Akzent verlieh, ihr in seinen Augen zusätzlichen Charme, obwohl auch für ihn Russisch keine Muttersprache war. Die Auserwählte unterschied sich wirklich von den anderen: zärtlich und zurückhaltend, unabhängig und scheu – sie war wie aus Gegensätzen gewebt und schweigsam. Er hörte sich gerne und lange ihre Lieder in deutscher Sprache an. Ihre sichtbare Verschlossenheit infolge des Erlebten rief in ihm den Wunsch diese Unantastbare Frau an sich zu drücken, es zu wärmen und glücklich zu machen.

 

Eine Woche hat mir gereicht, um besser diesen immer mehr vertraut gewordenen Mann kennen zu lernen. Ende Oktober, ihr Geburtstag. Wie ein Geschenk des Schicksals, endlich, das Treffen, auf das keiner mehr von den beiden imstande war zu verzichten. Vergessene Liebkosungen, zärtlicher Umgang seitens verliebten Mannes erfüllten ihre Welt mit absolut neuen und leuchtenden Farben, Gefühlen, Emotionen. Sie überfüllte das Gefühl der Erleichterung und sie  spürte, wie ihre Seele plötzlich die Möglichkeit bekam, langjährige Last der Bitterkeit und Leiden abzuwerfen, die sie wie ein Kokon lange Zeit umwickelten.

 

Zum ersten Mal wurde die Arbeit zum Hindernis, denn sie klaute die ungeschützten Krumen des Glücks. In ihre Gefühle und ihre Freude vertieft, kriegten sie wenig von der Umgebung mit, und so kam es dazu, dass die Frau sogar die glückliche Offenbarung ihrer Freundin über lang erwartete Schwangerschaft überhörte. Eine Woche danach wurde der Geliebte unter der Drohung der Anwendung von entsprechenden Paragraphen der Gesetzgebung unverzüglich auf seinen Arbeitsplatz in andere Stadt zurück gerufen. Der Abschied war sowohl schwer, als auch traurig, aber trotzdem voll mit Hoffnungen auf mögliche gemeinsame Zukunft. Der Glaube an ein positives Ergebnis verlieh kraft: gute Vorgesetzten und Verständnis seiner Verwandten, die allerdings bis jetzt noch ausdrücklich gegen die Frau einer anderen Nationalität waren.

 

Wenn man an die Intrigen aus irgendwelchen heutzutage modernen Filmserien oder ausgedachten Geschichten denkt, so wundert man sich oft, wie einfallsreich Autoren sind, die menschliche Gemeinheit und Hinterlist beschreiben. Aber das Leben in seiner Vielfältigkeit zeigt, dass Machenschaften viel raffinierter und unbesonnener sein können.

 

Meine Heldin beherrschte russische Sprache nicht so gut, um Briefe ihrem Geliebten selbst zu schreiben. Und Briefe, die sie ihrer Freundin diktierte, ließen irgendwie die Information aus, dass seine Rückkehr sie nicht mehr alleine erwartete. Es muss aber gesagt werden, dass ihre Briefe sowieso nicht den Empfänger erreichten, denn sie wurden in kleine Stücke zerrissen oder gar verbrannt vom Feuer des Hasses, das die älteste Frau seiner Sippe nicht los ließ. Die Familie, die sich schnell auf Selbstschutz stellte, zwang den Mann schnell und streng ihren Willen zu erfüllen – ihrer, der Sippe, Wahl der Ehefrau anzunehmen. Die Vorgesetzten wurden  in die Machenschaften eingeweiht, die nötigen Schritte wurden unternommen, es gab für ihn somit keine Möglichkeit mehr Dienstreisen zu verschiedenen Konferenzen, Kursen und anderen Maßnahmen zu machen. Dazu kam noch, dass der alte Telefonkabel, der einzige in der Schule, endlich durch einen neuen gewechselt wurde, somit hat sich auch die Telefonnummer der Schule geändert. 

 

In dieser für meine Bekannte nicht einfachen Zeit wurde ich zum einzigen Freund der zukünftigen Mutter. Meine Liebe allein reichte völlig, damit all die traurigen Gedanken verschwanden, alle Sorgen kleiner und bedeutungsloserschien. Sie badete in der Freude der Erwartung. Berauschende Zeit der gegenseitigen Erkennung  und Annäherung, das Bestreben immer öfter die Zeit zu zweit zu verbringen. Und so bin ich ihr so nah, dass ich ihren Atem spüren kann, ihre zärtlichen Hände, höre ihr sanftes Flüstern, kenne ihre Gedanken, die sich um mich drehen. Und ich werde selbst so abhängig von ihr, dass ich für keine einzige Minute sie verlasse. Ich verschlinge all ihre Aufmerksamkeit. Und sie wird immer zärtlicher zu mir. Und schon höre ich ihr Singen nur für mich alleine.

 

Wir konnten gar nicht ahnen, dass wir einander so viel Glück und Zärtlichkeit bringen werden.

 

Wie sehr habe ich meine Sängerin und Lachtaube lieb gewonnen, die, obwohl der Geliebte abgereist war und sich so lange Zeit nicht mehr bei ihr meldete, trotzdem nicht aufgegeben hat.  Wenn es in den ersten ein paar Monaten nach seiner Abreise ab und zu noch Anrufe in die Schule gab, und dann noch Glückwunschkarten zu dem Oktoberrevolutionsfeiertag und Neujahrsfest, so wurde danach ohrenbetäubende Stille zu einer unüberwindbaren Mauer.

 

Der Winter in dieser Gegend herrschte nicht lange und schon bald überlies er seinem ungeduldigen Rivalen die Ländereien - dem Frühling - mit steigenden  Thermometern, mit der von Ungeduld platzenden Knospen, von Wärme und Sonne verrückt gewordenen Vögeln, mit lautem Donner und Gewittern und mit nur für den Frühling reservierten Regenbögen. Zu den frühlingshaften Düften von blühenden Bäumen kam noch ein ungewöhnlicher Geruch dazu, den die Freundin meiner Herrin ekelerregend fand. Das war der Geruch von Fischöl, das mein Liebling löffelweise schluckte.  Wahrscheinlich stimmte etwas in der Balance des Körpers nicht, der noch im Winter so sehr nach Vitaminen sehnte, und so verlangte der Körper eben nach dieser Ingredienz. Auf welche auch Tricks mussten sich sie und ihre Freundinnen einlassen, um an dieses Fischöl zu kommen, das nur in Apotheken zu ergattern war.

 

 

 

Meine Herrin freute sich sehr in der Seele über ihre Schwangerschaft, dankte dem Leben für dieses Geschenk, aber nach außen verbarg sie diese Neuigkeiten, damit keiner durch den bösen Blick sie oder das zukünftige Kind vorzeitig verhext. Als der runde Bauch bemerkbar wurde, begannen die Leute über sie zu tratschen. Ohne Groll, aber mit burschikosen Sticheleien, die trotzdem ihr und mir wehtaten.

 

Ich wollte so sehr sie beschützen. Aber auch sie versteckte nicht mehr ihre Freude über die Schwangerschaft. Natürlich wurde alles komplizierter, besonders weil es damals an dem heute üblichen Komfort einer separaten Wohnung fehlte. Sogar Wasserleitung gab es damals nicht in jedem Hof, geschweige denn andere Bequemlichkeiten. Und sie hatte Arbeit, die zu verlassen für sie unvorstellbar war, obwohl der Staat damals einen Vierwochenmutterschaftsurlaub garantierte. Zu der Zeit kamen viele Leute in die Stadt, um sie wiederaufzubauen. Die Schulen waren überfüllt. Und es gab so viel Arbeit, dass es keine Zeit auch mal für eine Atempause gab.

 

Zu Ende ging das Schuljahr, das sich als so fruchtbar  erwiesen hat, dass sowohl beide Freundinnen, als auch ihre dritte Freundin vor einer schweren Lebensprüfung standen, und es ging nicht um die Reifezeugnisprüfung, sondern um das lang erwartete Zeugnis der Mutterschaft.

 

Als die Sommerferien anfingen, begann die obligatorische und unentbehrliche Renovierung. Damals gab es noch keine Brigaden oder Schwarzarbeiter, die man dazu beauftragen konnte,  denn vom Staat wurden niemals viel Geldmittel in Bildung investiert. Das bedeutete, dass den Waschputz und den Anstrich die Mitarbeiter der Schule und die Schüler selbst machten, für die letzten war es eine Art Arbeitspraxis. 

 

Kinder bleiben Kinder. Nach ihrer Arbeit musste man noch umarbeiten, Ihre Arbeit musste man noch nachbessern, denn sie verbrauchten alle Baumaterialien nicht nur für bestimmte Schulbänke, Wände, Tafeln und Fensterbänke, sondern auch für Bemalen voneinander, oder auch für Schmeißen von Büchsen aus Fenstern auf Asphalt – so eine Art Performance um die Schule herum.

 

Es herrschte unglaubliche Hitze. Von dem Geruch von Farbe, Lack, Kerosin gab es kein Verstecken. Wellenartige Übelkeitsgefühle. Wie eine himmlische Gnade- ein Wasserstrahl in der Dusche nach der Arbeit. Und dann feurige, schwüle Juli-Nächte. Es war fast unmöglich sich zu entspannen, vorübergehende Kühle von nassen Betttüchern half nicht wirklich, denn sie trockneten sehr schnell aus. Schon vor zwei Wochen sollte ihr Vorgeburtsurlaub anfangen. Die Schulpraktika waren schon zu Ende, aber die Renovierung lief weiter.

 

An einem solch heißen Tag wollte die zukünftige Mutter besonders zeitig mit ihrer Arbeit – Anstreichen des Schulkorridors - fertig werden, obwohl sie sowieso bereits erschöpft war und es langsam Abend wurde.

 

Mit Mühe schaffte sie es, bis zum Haus ihrer Freundin zu gelangen – bis zu ihrem dauerte es noch eine Weile. Nach einer kleinen Ruhepause wusch sie in einem improvisierten Bad die Farbreste von sich ab ihr wurde heiß. Plötzlich geriet sie in Schweiß, sie spürte heftigen, schneidenden Schmerz. Eine Oma, die sich als geschickte Hebamme erwies, organisierte schnell Hilfe für die Gebärende, und die Freundin stürzte sich schnell zu dem nahe liegenden Club um Ambulanz zu rufen. Wie sehr wollte ich doch der Gebärenden helfen… sich von der Last zu befreien. Immer kürzer wurden Pausen zwischen den Wehen… letzte gemeinsame Anstrengungen…

 

- „Ua! Ua! Ua!“ – mit einem Schrei, gierig, erblickte ich das Licht der Welt!

 

Die Schwiegermutter der Freundin band geschickt die Nabelschnur und klatschte mich geschäftig auf den Hintern. Aber ich brauchte diese Stimulation nicht. Endlich konnte ich meine Mutter begrüßen und schrie vor Glück.

 

Als ich zum ersten Mal die Umgebung überblicken konnte, bemerkte ich, dass wir im Haus ihrer Freundin sind, und dass neben mir in einem kleinen Bett mit einem Schrei meine Geburt das andere Baby begrüßte, das Kind der Freundin, das mich um einen Monat überholt hat. Da kam auch die medizinische Hilfe.

 

Die Abrechnung meines neuen Lebens begann, in dem ich noch viel lernen, verstehen und begreifen sollte, meine Erfahrung mit neuen Kenntnissen und neuen Erlebnissen zu bereichern.  

 

Mit großer Liebe und Dankbarkeit zu meiner Mutter betrat ich den mir neu eröffneten Weg  der Empfindung der Fülle und Freude des Daseins, neuer Weg der Selbsterkenntnis. So begann meine neue Emigration…

 

In der Kindheit aber überfüllte mich öfter als später eine unerklärliche schmerzende Sehnsucht, und ich schaute in den hohen blauen Himmel so lange bis mir Tränen in die Augen kamen, als ob ich mich daran erinnern wollte, was sich hinter den Wolken versteckte. Es war mir nicht bewusst, was mich so quälte und plagte. Dieses Gefühl war nicht Anderes als Nostalgie, die immer die Anwesenheit in der realen Welt stört, verzerrt die Sicht auf die Umgebung, bringt mit sich Sehnsucht nach der Vergangenheit, nach dem verlassenen Himmelhort. Diese Nostalgie macht sowohl die Gegenwart als auch die Zukunft schwankend und wackelig.

 

Diese Nostalgie nach der überirdischen, wunderschönen und zauberhaften Welt von einer unwahrscheinlichen Leichtigkeit. Nur in Träumen beschenkt sie mit Flügen im unendlichen Raum. Nur so kann man sich manchmal dem sehr weit zurück gelassenen Jenseits nähern. Wenn man ihr nachgibt, kann sie leicht vom Weg abbringen, der dieses Mal von der Vorsehung vorherbestimmt ist.

 

Eben aus diesem Grunde schlafen kleine Kinder so viel. Ihre Seelen können nicht vollständig auf ihre Gemeinsame Heimat verzichten. Mit Jahren reduzieren sich Schlafstunden. Es ensteht die Möglichkeit aufs Neue sein Dasein zu gestalten - mit seinen Vorsätzen, Taten und Charakter.

 

Das Wichtigste dabei ist, der unsterblichen Seele keinen Schaden zuzufügen. Und auf keinen Fall sie unbesonnen zu Grunde zu richten. Erst dann wird es möglich, die Aufgaben dieser neuen Anwesenheit auf der Erde zu erfüllen, die Aufgaben dieser Emigration.

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Liebe

 

 

 

Die Liebe ist ein helles Gefühl
und eine heiße Empfindung,
und die Leuchte der brennenden Leidenschaft,
und die Geräusche der heimlichen Töne,
wie eine freie Welle,
dem Glanz der Sterne ähnlich,
sie ist die Ketten der schweren Wucht,
und die Verwöhnung mit den Schonungen,
und das Kinderlachen der Sorglosigkeit,
und die Wandrerin durch die Ewigkeit,
und die Zaubermusik,
die Siegesschlacht,
die Baukunst der Luftschlösser,
die Prophezeiung der Unsterblichkeit.
Aber die Liebe ist auch die Handlungen:
das Aufflammen der Hoffnung,
die Einatmung der Anwesenheit,
das Tastgefühl des Fluidums,
die zärtlichste Berührung,
die Umarmung bis zum Zittern,
das Küssen des Taus auf den Lippen,
die Erkenntnis aller Sakramente,
nur die Schöpfung des Glückes,
und das Eindringen in den Sinn,
die Erfüllung der Wünsche
und der Dienst in Freude,
das vollkommene Opfer,
die Anerkennung für alle Gaben.
Die Liebe füllt die Welt
und zeigt das Antlitz Gottes!

 

 

 

 

 

 

 

Das Nachdenken über das Leben,

 

die Gefühle und Tugenden

 

 

 

*

 

Die Aufgaben sind menschengemäß verteilt –

 

über ihre Schwierigkeit zu murren ist vergeblich. Wenn man etwas zu sagen hat,

 

wird seine Stimme auch in der Wüste gehört. Die Weisheit kann man nur dann erleben, wenn man den Geist

 

großzieht und ihm die Flügel ausgebreitet. Die Hilfe in dieser Tat ist ein Segen – wie ein Zeichen,

 

dass dein Licht von oben gesehen wird.

 

*

 

Wenn man einen weisen Ratschlag missachtet, wenn man aus den Fehlern nichts lernen will, wird der Kurs auf´s Licht der Erkenntnis – zum Rechen. Dann kann man die Stirn vor den Beulen nicht schützen…

 

*

 

Es ist nicht genug nur zu wissen –

 

man muss so machen, wie es sein soll. Und nimm diese Prüfung ohne Ärger. Von dem Bösen kannst du die Verführung erwarten, die Prüfungen vom Himmel sind eine Belohnung.

 

*

 

Die Ereignisse sind wie Puzzles in Bilder gelegt. Was mit uns im Leben passiert – hat die Gründe in uns selbst. Solange von unseren Wünschen verführt werden, kommt die Gnade an uns vorbei.

 

 

 

 

 

*

 

Das Gute und das Böse sind zwei Extremkräfte für uns. Wo man sich mehr bemüht hat – ist da der Sieg. Über die Wahl zu murren ist zu spät – denn man bekommt das, was man verdient hat.

 

*

 

Das Morgengrauen jagt die Finsternis der Zweifel immer weg. Der Morgen schenkt den gesuchten vernünftigen Ratschlag. Die Prüfung liegt darin, indem man geduldig

 

auf die Veränderungen wartet. Die Hektik, das Misstrauen schadet den Seelen.

 

*

 

In der Hektik verbringen wir die Tage leichtherzig. Aber es gibt etwas in uns, was mit der Weisheit gekennzeichnet ist. Die Stimme der Intuition ist im Lärm des Tages nicht zu hören. Im Schweigen hört man sich selbst besser.

 

*

 

Die Illusion ist immer ein Werk des Verstands, eine Wiederspiegelung durch eigenes Prisma. Ihre Fähigkeit, die Realität zu vertauschen, verbirgt viele Zerrbilder in sich.

 

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Die Sühne ist die Zahlung, die Begleichung der Schuld. Nur der Weg zum Begreifen kann lang sein. Es ist wichtig, eigenen Beitrag im begangenen Fehler zu sehen – die Reue schmilzt die Scherben des Hochmuts.

 

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Man muss für alles in diesem Leben bezahlen: fürs Wissen, für Fehler, für das Glück der Liebe. Und in der Bezahlung ist immer das Geheimnis der Vergeltung. Es ist besser, mehr zu geben, und sich mit der Bezahlung zu beeilen.

 

 

 

 

 

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Zweihörniger Mond wird von dem Vollmond abgelöst. Das Leere füllt sich mit der Bedeutung. Das Minderwertige kann zum Vollkommenen werden. Der Weg zur Vollkommenheit ist eine gute Tat.

 

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Die Träume sind die Blindenführer der Phantasie. Es fällt der Verführung leicht, das Ich zu entführen. Es mag passieren, nicht wie ich es gerne wollte, aber wie Du, Gott, es willst!

 

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Alles ist mir erlaubt, nun nicht alles ist nützlich. Das Leben ist das Geschenk Gottes, also verhalte dich freundlich. Die Hektik regiert festhaltend und gedankenlos, die Krankheiten für die Seele und für den Körper findend.

 

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Alles, was im Leben gut ist, kommt immer vom Gott, es bringt Freude. Und wenn was Böses in deinem Leben passiert – stammt es nur von Dir!

 

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Um das Schicksal anzunehmen,

 

sich mit dem Missgeschick abzufinden, merke dir, was vorüberging – musste mit dir nicht passieren. Und was du in deinem Leben nicht vermeiden konntest – musste dir passieren.

 

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Wer boshaftes Gerede über sich selbst würdevoll angenommen hat, wünscht die Gesundheit den Beleidigern weise. Jeder gibt nur das von sich, womit seine Seele voll ist. Die Ähnlichkeit ist die wichtigste Bedingung in der Welt!

 

 

 

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Die Freiheit ist es, wenn man machen kann, was man mag, wenn man weder Verwandte noch Ereignisse beurteilt. Das, was man macht, zu lieben ist das Glück – dem Licht mit eigenem Potential zu dienen.

 

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Träume, Phantasien zeigen uns - was für ein Potential das Schicksal für uns vorbereitet hat. Wenn man es schafft, die Meise dem Kranich nicht vorzuziehen – stellt man seine Schulter dem Himmel wie ein Atlant unter.

 

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Ein Weg im Leben ist die Bedingung der Erkenntnis. Man muss nur den Wunsch zum Lernen haben. Alles ist zufällig hier, alles ist menschengemäß. Jedes Treffen ist eine Aufmerksamkeit wert.

 

Wir leben in eiligen Taten. Die Rechnungen zu bezahlen ist unvermeidlich für Wut, für Hochmut, für Beleidigungen, Gott, begnade uns, die Sündigen!

 

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Alles im Leben hat seinen Ort und seine Frist. Das Wichtigste ist weise zu lernen, um in der Hektik, in der Eigenliebe, in dem Hochmut wie in drei hohen Kiefern nicht verloren zu gehen.

 

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Wir beeilen uns so schnell wie möglich

 

aus der Kindheit auszuwachsen, den entsprechenden Platz im Erwachsenenleben zu nehmen, wir trachten nach Ruhm, Anerkennung und Wohlstand, das Vermächtnis „Seid wie Kinder!“ als unpassend bezeichnend.

 

 

 

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In der Jugend ist die Zeit dimensionslos, es gibt jede Menge der aufgegebenen Vorhaben, ein Berg der Aufschiebungen „auf später“ wächst… Welche Rechnung wird als erste bezahlt müssen?

 

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Ein goldener Teppich ist unter den Füßen ausgelegt. Die Wolken-Perlen sind im blauen Himmel. Der Herbst freut uns mit einem Feuerwerk der Farben, wenn es ihr Ebenbild in dir selbst gibt.

 

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Der Herbst ist die Zeit der Bezahlung für das Leben: wenn es viel ausgegeben wurde, wird er voll und gesegnet; wenn man ohne Glaube, Liebe, in der Eigenliebe gelebt hat – wird die Last des Schicksals und die Krankheiten als Bezahlung.

 

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Wenn das Alter keine Freude bringt, ist es dunkel im Leben: dann ist Liebe, Kindheit, Glück mit Dämmerzustand bewachsen, man versteht nichts mehr von der Gottes Vorsehung, dem Wohl. Denn die Trauer ist sündhaft, es ist ein Kampf gegen Gott,

 

es ist das Böse.

 

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Das Gedächtnis ist die Schatzkammer des Gelebten. In ihm Ordnung zu machen ist überflüssig. Weg mit den Beleidigungen, Trauern, Fehlern und mit den ganzen Schmerzen,

 

die wir den Verwandten angetan haben.

 

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Man kann sich von den Verlockungen im Leben nicht verstecken, die Gesellschaft lockt mit der Vielfältigkeit an. Wenn man nur wüsste, was für das Böse

 

mit ihnen hineingelassen wird. – Eigensinn und Nichtstun verderben die Seele!

 

 

 

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Der Moment des Aufenthalts im Leben ist so kurz – man muss in der Sache des Suchens nach der Wahrheit

 

Fortschritte machen. Ängste, Emotionen, Hektik, Faulheit lenken uns von den klaren Gedanken ab.

 

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Wir lassen die Sachen unser Leben füllen, wir eilen nicht, etwas in unserer Umgebung zu verändern, wir dulden die Sklaverei der Gewohnheiten und die Gefangenschaft der Beziehungen, nur um den Seelenkomfort aufzubewahren.

 

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Es wird irgendwann Zeit – später oder früher, wenn die Seele den sehnlichen Weg zum Tempel findet. Aber Hektik, Zweifel, Besorgnis versuchen hartnäckig ein Hindernis zu sein.

 

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Für die Seele ist die Glückseligkeit der Erwartung des Weihnachtens – alle Sünden aufzuwühlen und mit der Reue zu waschen. Nur das in der Sauberkeit gesehene Licht des Sternes von Betlehem schenkt die gelobte Unsterblichkeit den Seelen.

 

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Der Geist leidet in der Unvollkommenheit des Körpers. Ein Risiko, dass der Flug beim Sinken abbricht. Die Krankheiten werfen die Trauer in das Leben hinein. Wenn man sich mit sich selbst beschäftigt,

 

gibt man dem Geist eine Chance.

 

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Der geistige Reiz ist der süßeste Betrug. Der Hochmut deckt jeden kleinsten Nachteil. Man kann die Würden in der Gefangenschaft

 

der Einbildung nicht zählen. Das Vergessen der Gottlosigkeit ist eine Falle für die Seele.

 

 

 

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Die Angst vor den kommenden Veränderungen im Leben gibt der Seele keine Möglichkeit von den Knien aufzustehen

 

und zu fliegen. Es gibt ein Risiko, einen Sumpf unter dem Wasserspiegel

 

nicht zu sehen. Das Moor ist eine hoffnungslose Gefangenschaft für die Seele.

 

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Die Seele sammelt die Betrübnisse während des Lebens an, sie gibt sich mit denen wie ein Armer mit dem Futtersack ab. Wenn sie keine Lehre in den Ereignissen sieht - kann man das Aufwachen der Seele nicht erwarten.

 

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Jemand sieht Trauer und Regen im Herbst – wahrscheinlich hat man viele Tränen in der Seele angesammelt. Hinter den Fenstern sieht man das verschwommene Leben

 

durch die Ströme… Man konnte das Licht seines Altarlämpchens nicht erhalten.

 

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Die Hektik regiert unsere Welt. Im Alltag braucht man keine Flügel. Das Süße des Alltagslebens stört den Blick nach oben zu werfen. Wieso schläfst du? Auferstehe, meine Seele!

 

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Nicht jeder Regen schmückt den Himmel mit einem Regenbogen. In welchen Tränen muss die Seele sich waschen? – in den Tränen der Liebe und der Buße, der Gutherzigkeit, dass die Freude des Lichtes in ihr lange bleibt.

 

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Die Gesellschaft regiert, schreibt die Formalitäten vor. Die Mode wird von den Leuten mit Bereitschaft angenommen. Die Stufe der Entwicklung von dem Gefühl der Verschämtheit – ist das Maß der Geistigkeit bei den Menschen.

 

 

 

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Wir sind sorglos und sündig in unseren Leidenschaften. Der Komfort ist die wichtigste Bedingung für das Leben. Aber wie kann man der Seele den Weg in die Ewigkeit öffnen? Die Arbeit an sich selbst ist die geistige Mühe.

 

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Das Schuldgefühl ist die Besinnung der Sünde, denn für den Hochmut ist die Verbeugung eine Strafe. Die Seele zu reinigen bedeutet das Licht in die Welt zu bringen. Die Buße der Seele ist gesegnet!

 

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Es ist eine harte Arbeit für die Seele, zu vergeben, alle Beleidigungen, Ansprüche zu vergessen. Lass die Bitternis, die dein Bewusstsein überflutet hat, mit der Liebe und der Demut trocknen.

 

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Das Lächeln ist die Umarmung mit der Seele, wenn Freude und Glück im Inneren sind. Aber ein Pseudolächeln – eine Grimasse – deutet auf das Unwetter in der inneren Welt.

 

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Jeder trägt entweder Paradies oder Hölle in der Seele, die Hitze der wasserlosen Wüste, den gepflegten Garten. Man sagt – es sei besser da, wo wir nicht sind. Mit der Unruhe der Seele tragen wir wahrscheinlich

 

zur Uneinigkeit bei.

 

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Die Liebe sind keine Gefühle, keine Empfindung. Die Liebe ist die Auferstehung alles Lebendigen. Die Liebe ist eine Tätigkeit, ein Verb, die Arbeit der Seele. In dem es sie gibt, der findet die Rettung.

 

 

 

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Die Vernunft ist die Quelle der Tugenden. Sie stellt einen festen Schutz vor den Verführungen und teilt uns die Hinweise des Geistes mit. dass wir zum Wohl genau gehen.

 

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Wer die Beleidigungen ruhig erträgt, nicht böse wird und vor Wut nicht kocht, hat weichen Charakter, aber harten Geist. Diese Sanftmut ist die Tugend der All-Versöhnung.

 

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Die Demut bedeutet, wenn man im Frieden mit sich selbst lebt, es ist ein Wunsch die Ruhe der Seele zu bewahren, der Trauer widerspruchslos zu widerstehen, immer eine positive Einstellung zu haben.

 

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Es ist schwer in unserer Zeit, die Demut zu besitzen, auf die Schulden, Beleidigungen vergebend zu antworten, die Zaumzügel in die Hände der Eigenliebe nicht zu geben und eigenen Hochmut mit dem Vergessen zu bestrafen!

 

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Es gibt noch eine Tugend – die Geduld: Trauer, Lasten zu überstehen, um, ohne über die Umstände zu murren, mit Ruhe auf die Erlösung zu warten.

 

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Die Keuschheit ist die moralische Strenge, denn es gibt sehr viele Verführungen für Unzucht: der Doppelsinn der Wörter, die Unbescheidenheit, die Wollust. Wenn es keine Reinheit geben werde, wird man Gott sehen können?

 

 

 

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Was vorgesehen ist – wird unbedingt passieren. Der Sand in einer Uhr hat die Zeit zugemessen. Wozu muss man aufgeregt von einem Extrem ins andere fallen? Die Ruhe ist eine vernünftige Entscheidung!

 

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Es scheint so schwer, einen Fremden nicht zu beurteilen. Das Große unter seiner eigenen Nase nicht zu erschauen. Unvoreingenommen zu sich selbst zu sein, ist schwerer: Die Rechtfertigungen den Schwächen lassen nicht in Ruhe.

 

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Die sechs Feinde sind uns aus den Veden noch bekannt. Hochmut, Neid, Eigenliebe und Zorn, Illusion und Lust zusammen können so viel Unheil einbrocken!

 

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Es fällt manchmal sehr schwer das Geschehene weise anzunehmen. Emotionen, Dummheit, Hochmut führen das Schiff an dem Hafen vorbei.

 

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Falls der Hochmut seine Leuchte in dir angezündet hat, dir dein Kopf von der Hochnäsigkeit schwirrt, die Einbildung dieses Feuer weiter anheizt, bedeutet es, dass die Dunkelheit in dir sich als das Licht stellt.

 

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Bei dem Hochmut ist die Seele blind und taub, gleichgültig, geizig für die guten Gefühle, in der kalten Einsamkeit sieht sie keinen Hoffnungsstrahl – sie hat sich selbst in die harten Rahmen hineingetrieben.

 

 

 

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Wir sind alle mit unseren Glockentürmen, wo man überlegt, beurteilt frei. Mit einem großen Hochmut ist der Bau auch höher, und das heißt, dass es schmerzhafter wird, zu fallen.

 

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Da wir vergönnt sind, in einer anderen Kultur zu leben, werden wir uns nicht beeilen, Mentalität, Regeln und Gewohnheiten zu verurteilen. Es ist die Freude für den Hochmut – noch einmal zu beurteilen.

 

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Die Verurteilung stört die Kommunikation. Die Toleranz ist die Demut des Hochmuts. Es ist für uns gar nicht so leicht, einander zu verstehen, wenn es keine Liebe, keine Geduld gibt.

 

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Wenn alle Recht haben – ist es ein Feld für die Zwiste. Der Hochmut verteilt die Vorwürfe großzügig. Und wer eigene Schuld nicht sieht, wird bald das Korn der Weisheit nicht züchten können.

 

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Der Wortschwall ist auch ein Antlitz des Hochmuts, er belastet alle mit seinen leeren Worten und zu seinen Rechten zählt er auch den Besitz der Zeit, der Aufmerksamkeit der Anderen.

 

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Der Triumph des Ehrgeizes ist, wenn man glaubt, dass man der Liebe, der Anerkennung und des Wohlergehens wert sei, Sich selbst zu verzeihen, und nicht die Fehler der Anderen, immer von seiner Richtigkeit überzeugt zu sein.

 

 

 

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Die Gereiztheit ist der Weg zum Krieg mit Gott. Man will seine Eigenliebe nicht zügeln, Alles, so wie es ist, anzunehmen – will man nicht. In der Negation steckt der Weg zur Einsamkeit.

 

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Der Neid ist wie eine spitze Nadel. Der Wunsch das Bessere zu haben erstickt wie eine Kröte. Es ist unmöglich, die Glückseligkeit zu erleben, wenn man einen klebrigen Verdruss zum Fremden hat.

 

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Die Beleidigung gibt sich wie eine Freundin von der Eigenliebe – eine treue Dienerin. Sie geht Hand in Hand mit dem Hochmut. Die Liebe in der Seele zu löschen ist ihr Verdienst.

 

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In den Urteilen ist es unüberlegt, zu eilen. Es ist auch leicht mit der Unzufriedenheit zu sündigen. Die Ansprüche gelten als die Ablehnung des Lebens. Sie führen zur Trauer, zum Einschlafen der Seele.

 

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Es gibt einen schlauen, tückischen Feind – das Nichtstun. Es verspricht Freude und Süße des Müßigganges für die Bezahlung in Form der Ewigkeit der sorglosen Seele, die im Wohlleben der Arbeit über die Freude vergessen hat.

 

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Die Unzucht kann keine unfreiwillige Sünde sein. Sie ist kein plötzlicher Zorn, kein boshaftes Gerede. Die Unzucht hat Zeit fürs Nachdenken – sie ist eine bewusste und eigenwillige Sünde.

 

 

 

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Die Schmauserei ist die Sklaverei, die Gier des Körpers. Und die Stimme der Vernunft wird kaum gehört, wenn der Vorrang im Leben dem Magen gegeben wird. Der Tod des Geistes ist die Übersättigung des Körpers.

 

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Die Angst stiehlt unsere Lebenskräfte – die Lebensfreude erlöscht beleidigt, die Seele sucht die Zuflucht in den Fersen, die Weisheit ist mit unserer Feigheit gedemütigt.

 

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Irgendwann sich entschlossen, die Menschen

 

für den Hochmut zu bestrafen, hat der Gott die vorher einzige Sprache geteilt, die vorher von ihm als das Wohl den Menschen

 

geschenkt wurde… Und ohne Verständnis sind wir zu den Fremden intolerant.

 

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Unser Leben ist ein Mosaik aus den Wörtern. Wir zerschlagen unnötig viel Porzellan mit unserer Zunge. Nach den Worten, die wir der Welt mitteilen, ist die Hülle unserer Seele sofort zu sehen.

 

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Es ist nicht leicht für die zwei Hälften, einander zu treffen, ein Duo auf der Lebensbühne zu spielen. Man ist aber nicht umsonst zusammen, obwohl die Leute

 

ganz verschieden sind – wir sind eine Bedingung der Entwicklung für einander.

 

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Die Beziehungen werden bei den Freunden nicht abgebrochen, denn die Freunde bekommt man nicht umsonst: sie werden nach den Gedanken, Handlungen verteilt. Woher stammen dann die Kränkungen?

 

 

 

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Unsere Kinder sind die gewünschten Gäste, die Gabe des Lebens, die langerwartete Liebe. Wir müssen sie mit dem großen Respekt annehmen, erziehen, in die nebelige Weite gehen lassen.

 

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Die Erziehung ist keine leichte Aufgabe. Es ist nicht notwendig, sich an die festen Regeln zu halten. Denn wir versorgen nur mit dem, was wir in uns selbst haben, mit der genauen Erfüllung aller Gebote.

 

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Jede Mutter hat einen Instinkt, ihr Kind zu verbergen, die Liebe, den Segen ihm hinterher zu schicken. Die eifrige Obhut ist die Gefangenschaft, der Tod. Man versteckt es vom Leben, das Stroh untergestreut.

 

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Die Kontrolle zum Wohl ist ein Wolf im Schafsfell. Denn man trachtet nach dem fremden Willen, seine Sorge aufgezwungen, die Freiheit entzogen. Die guten Vorsätze haben betrogen.

 

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Es gibt viel Leidenschaften, Sünden, Verführungen in der Welt. Dass sie die Kinder nicht verleiten – muss man ihre Seelen mit der Reinheit und der Glaube ernähren, dass sie die Aberkennung des Bösen in sich bewahren.

 

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Das Schicksal gibt uns die Möglichkeiten, die Kinder zu erziehen. Die Weisheit hilft sie vor den Fehlern zu beschützen: man muss sie nicht vor den verderblichen Verführungen

 

bewahren, sondern das Gegengift zur Wahrnehmung des Bösen und

 

der Plattheiten zu impfen.

 

 

 

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Jede Ansicht hat ihre Gerechtigkeit. Wir haben Recht auf eigene Meinung. Nur die Wahrheit gibt es eine, und die Weisheit ehrt sie als Wichtigste.

 

*

 

Früher oder später kommen wir zu dem Unvermeidlichen: sich für unsere eiligen Handlungen zu verantworten, für den Hochmut, die Beurteilung der Anderen, die Hektik. Gott, sei mir, dem Sündigen, gnädig!

 

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